Alle Menschen haben ab und zu einen ungewöhnlich starken Bewegungsdrang. Das ist nicht automatisch ein Problem. Wenn die der Bewegungsdrang jedoch unkontrollierbar ist, andauert und/oder negative Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche oder die Entwicklung eines Kindes hat, sollten seine Eltern genauer hinsehen. Bei der Abklärung wird nach den Ursachen der Hyperaktivität gesucht und ggf. therapeutische Massnahmen eingeleitet, um Störungen der Entwicklung und zukünftige Beeinträchtigungen zu vermeiden.
Definition: Was ist Hyperaktivität?
Motorische Hyperaktivität oder eine hyperkinetische Störung ist der übersteigerte Drang einer Person, sich zu bewegen, also weit über das hinaus, was man noch als «normal» bezeichnen könnte. Eine hyperaktive Person kann ihren Bewegungsdrang nur schwer oder gar nicht kontrollieren. In der Medizin gilt die motorische Hyperaktivität als Symptom für verschiedene Pathologien.
Neben der körperlichen Unruhe gibt es auch eine von aussen «unsichtbare» Hyperaktivität, die sich durch eine verstärkte innere Unruhe, ständiger geistiger Erregung und Nervosität äussert. Auch diese kann in verschiedenen Lebensbereichen zu Schwierigkeiten führen.
Die Grenzen zwischen gesundem, «lebendigem» Verhalten, erhöhtem Bewegungsdrang und Hyperaktivität sind fliessend. Ob eine Behandlung nötig ist oder nicht liegt unter anderem an der Ursache der Hyperaktivität sowie am Leidensdruck der Betroffenen.
Auswirkungen von Hyperaktivität
Am auffälligsten ist bei Kindern zweifellos die motorische Hyperaktivität: der typische «Zappelphilipp», der nicht sitzenbleiben kann, der ungeduldig ist, herumrennt und klettert, andere Personen nicht ausreden lässt, nicht warten kann, bis er an der Reihe ist. Wie der kleine Marienkäfer «Minuscule» im gleichnamigen Film. Hyperaktive Kinder fallen deswegen im Unterricht auf und haben Konflikte mit ihren Klassenkameraden.
Man sagt zwar, dass sich die Hyperaktivität auswächst, aber oft ist es einfach so, dass sie mit dem älter werden internalisiert wird, weil das «sozialverträglicher» ist. Hyperaktive Erwachsene sind innerlich unruhig, oft wie getrieben, können kaum effizient arbeiten, sind ungeduldig, fahren zu schnell Auto, gehen unnötige Risiken ein, fallen andere Personen ins Wort, sagen unangebrachte Dinge. Ihre Leistung schwankt je nach Tagesform, es fehlt ihnen an Struktur, sie haben oft Probleme mit Vorgesetzten und wechseln oft ihre Arbeitsstelle.
Behandlung von Hyperaktivität
Im medizinischen Kontext wird Hyperaktivität als Symptom betrachtet. Die Behandlung richtet sich deshalb gegen die ihr zugrunde liegende Ursache bzw. Grunderkrankung.
Hyperaktivität ist nicht dasselbe wie ein lebendiges Temperament oder überschiessende Energie. Wenn Sie unsicher sind, sprechen Sie mit dem/der Hausärzt/in oder Kinderärzt/in über Ihre Beobachtungen.
Unbedingt zum Arzt oder zur Ärztin gehen sollten man insbesondere bei starken Veränderungen, also wenn eine ansonsten ruhige Person plötzlich wie getrieben wirkt.
Akzeptieren Sie nicht, wenn ein Arzt oder eine Ärztin eine schnelle «Blickdiagnose» stellt und sofort Medikamente verschreiben will, sondern bestehen Sie auf einer gründlichen Abklärung der Ursachen und Erstellen eines individuellen Therapieplans.
Ursachen von Hyperaktivität
Hyperaktivität kann eine körperliche, psychische oder eine hirnorganische Ursache haben, oder aber durch Medikamente, die Ernährung, den Lebensstil oder umweltbedingten Stress verursacht sein. Da die möglichen Ursachen so vielfältig sind und teilweise zusammenspielen, ist eine sorgfältige medizinische und psychische Abklärung nötig. Eine gründliche Abklärung hat auch noch andere Vorteile (siehe Artikel «Wozu ist eine Abklärung gut»). Bei multifaktoriellen Ursachen ist die Diagnosestellung schwierig und nicht immer kann eine eindeutige Ursache gefunden werden.
Somatische (körperliche) Ursachen von Hyperaktivität:
- Schlafmangel
- Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
- Drogenmissbrauch
- Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
- Kognitive Behinderungen (FXS, Angelmannsyndrom, u.a.)
- Stoffwechselstörungen (z.B. Phenylketonurie)
- Delirium
- Neurologische Erkrankungen
Neuropsychologische Ursachen von Hyperaktivität
- Autismus-Spektrum-Störung
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung)
Psychische Ursachen von Hyperaktivität
- Teilleistungsstörungen (Legasthenie, Dyskalkulie, usw.)
- Hyperkinetische Störung ohne Aufmerksamkeitsstörung
- Bipolare Störungen
- Manie
- Angstsyndrom
- Trauma, Posttraumatische Belastungsstörung
- Stress (Schuldruck, Überforderung usw.)
Medikamentöse Ursachen von Hyperaktivität
- Hyperaktivität oder innere Unruhe können als Nebenwirkung gewisser Medikamente (z.B. Antidepressiva) auftreten.
Umweltbedingte Ursachen von Hyperaktivität
- Krise im oder wegen dem sozialen Umfeld (Ehescheidung der Eltern, Mobbing in der Schule, usw.)
- Reizüberflutung
- Unausgewogene Ernährung oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Pädagogische Ursachen (fehlende Alltagsstruktur, Laisser-faire in der Erziehung)
- Ein beschleunigter Alltag («die heutige Zeit», siehe «Selbstregulation in stressigen Zeiten» und «Survival Tipps: Wie überlebt man die Feiertage mit hyperaktivem Kind»)
Die umweltbedingten Ursachen der inneren und äusseren Hyperaktivität und Unruhe haben gemeinsam, dass wenn sie beseitigt sind, die Unruhe «von selbst» wieder verschwindet.
Verschiedene Faktoren, die zusammenspielen
Insbesondere wenn die Hyperaktivität im Zusammenhang mit ADHS auftritt, spielen oft mehrere Ursachen zusammen. Verschiedene Faktoren können sich zudem gegenseitig verstärken. Andere Faktoren wie zum Beispiel Schlaf oder Ernährung können gleichzeitig (Teil-)Ursache als auch Verstärker von Hyperaktivität sein. Dasselbe gilt für einen unstrukturierten Alltag oder übermässiger Konsum von Bildschirmmedien.
Deswegen wird bei der Behandlung von ADHS auch immer das Umfeld mit einbezogen, zum Beispiel durch Elterncoachings oder Informieren der Lehrpersonen über die Störung und den korrekten Umgang damit.
Letzte Kommentare