plzm Kritik an ADHS: Faktencheck zum Artikel "Wie unsere Kinder zerstört und zu Drogenabhängigen gemacht werden"

Ein ein Artikel der Plattform „Unsere Natur“ vom 15. September 2019 mit dem Titel „Wie unsere Kinder zerstört und zu Drogenabhängigen gemacht werden“ macht zur Zeit die Runde in den verschiedenen ADHS-Foren und Diskussionsgruppen im Internet und in den sozialen Medien. Darin werden ein paar korrekte Fakten mit Kritik an ADHS, Ritalinkritik, Halbwissen, Verschwörungstheorien und unbelegten Behauptungen garniert. Heraus kommt etwas, das Familien, die von ADHS betroffenen sind, das Leben schwer macht.

Es ist wichtig, kritisch zu bleiben, sich selbst zu informieren und Vorschläge von Ärzten, Lehrpersonen und anderen Fachleuten zu überdenken, bevor man für sich oder für sein Kind medizinische Entscheidungen trifft. Aber diese unreflektierte Ritalinkritik, die man so oft im Internet antrifft, ist bei nicht hilfreich. Hier ein paar Fakten:

Allgemeine Einordnung

Der Autor oder die Autorin des Artikels heisst „admin“ und verrät somit den Leser/innen weder seinen/ihren Namen noch seine/ihre berufliche oder fachliche Qualifikation.

Als Quelle für die enthaltenen Informationen wird eine Webseite namens „anonymousnews.ru“ angegeben. Der verlinkte Artikel von „Anonymous News“ wird „Eva Herman“ zugeschrieben, was nicht überprüfbar ist. Titel, Bild und einige der Abschnitte des Artikels aus „Anonymous News“ wurden ohne Zitatangabe in den Artikel von „Unsere Natur“ kopiert.

Inhaltliche Kritik an ADHS

Schauen wir uns den Inhalt mal im Detail an.

Wer hat Ritalin erfunden?

Ein weltweit angesehener US-Kinderpsychiater probiert in den sechziger Jahren an seinen lebhaften Patienten verschiedene Psychopharmaka aus, um die Kleinen ruhig zu stellen.

Die Fakten: Dieser „weltweit angesehene US-Kinderpsychiater“ hiess J. Gorden Millichap und er war Neurologe, nicht Psychiater. Er war für seine kleinen Patienten (mit den heute unter dem Begriff „ADHS“ subsummierten Symptomen) auf der Suche nach einem Medikament, das ihnen besser und mit weniger schweren Nebenwirkungen helfen konnte, als die seit den 1930er Jahren zu diesem Zweck verschriebenen Amphetamine. Nach mehreren placebokontrollierten Vergleichsstudien zwischen 1960 und 1968 kamen die Forschenden zum Schluss, dass der Wirkstoff Methylphenidat (Handelsname Ritalin) bei diesen Symptomen das Mittel der Wahl sei.

Die Wortwahl „lebhafte Patienten“ und „ruhig stellen“ unterstellt, dass diese Kinder nicht aufgrund einer psychischen Erkrankung im Krankenhaus waren, sondern alleine wegen ihrer „Lebhaftigkeit“. Damit wird den Eltern und Ärzten Inkompetenz oder Niederträchtigkeit unterstellt, und dass J. Gorden Millecamp und sein Team weder fähig oder Willens gewesen seien, zwischen normal lebhaften und psychisch kranken Kindern zu unterscheiden.

Als er eine entsprechende Pille entdeckt, mit der die Kinder gefügig gemacht werden können, erhebt er im Namen der Weltgesundheitsorganisation die kindliche Lebhaftigkeit zu einer neuen Krankheit.

Die Fakten: J. Gorden Millichap hat Ritalin nicht entdeckt, sondern 20 Jahre zuvor der Basler Chemiker Leandro Panizzon. Panizzon testete – wie damals üblich – den neuen Wirkstoff an sich selbst bzw. seiner Frau Marguerite, in der Hoffnung, etwas gegen ihren niedrigen Blutdruck gefunden zu haben. Der Wirkstoff Methylphenidat wurde 1950 in den USA patentiert und das Medikament Ritalin ab 1955 gegen Depressionen, Müdigkeit und Narkolepsie verschrieben. Dabei wurde quasi als „Nebenwirkung“ der positive Einfluss von Ritalin auf Impulsivität, Hyperaktivität und bei Aufmerksamkeits-/Konzentrationsproblemen entdeckt. Ab 1960 wurden systematische Vergleichsstudien durchgeführt, ob Ritalin die bis anhin für diese Symptome verschriebenen Amphetamine ersetzen könnte (siehe oben).

Die Wortwahl „gefügig machen“ unterstellt, dass ADHS ein pädagogisches Problem sei, und die Kinder, die an ADHS leiden, nur „ungehorsam“ seien. Es ist jedoch eine Tatsache, dass sich die meisten unglaubliche Mühe geben, sich anzupassen und sich adäquat zu verhalten, damit aber täglich wieder scheitern. Menschen mit ADHS können nichts für ihre Impulsivität, Hyperaktivität und Konzentrationsprobleme und somit können sie diese auch nicht lange mit purer Willensstärke kontrollieren.

Und fertig ist eine äusserst lukrative, für wachsenden Gehirne jedoch hochgefährliche Einnahmequelle der global arbeitenden Pharma- und Ärzteindustrie.

In diesem Satz allein finden sich 3 Postulate, leider bleibt „admin“ den Beweis schuldig:

  1. „Lukrativ“: Wie hoch ist die Gewinnmarge auf Medikamenten mit dem Wirkstoff Methylphenidat?
  2. „für wachsende Gehirne hochgefährlich“: Worin besteht diese Gefahr?
  3. „global arbeitende Pharma und Ärzteindustrie“: Wer gehört zu dieser „Industrie“, welche Firmen, Personen, auf welchen Kontinenten? In welcher Form arbeiten sie zusammen? Treffen sie sich regelmässig? Haben sie Verträge, Übereinkünfte?

Millionen Kinder auf der ganzen Welt schlucken seit Jahrzehnten Ritalin, weil sie angeblich das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, kurz ADHS, haben.

Leider informiert uns der Autor oder die Autorin nicht darüber, wie viele dieser Millionen Kinder ADHS haben und wie viele nur angeblich. Und wie es sein kann, dass ein Kind „während Jahrzehnten Ritalin“ schluckt, wenn es doch ab spätestens 20 Jahren gar kein Kind mehr ist.

Wer hat ADHS erfunden?

Achtung, nun geht es plötzlich nicht mehr um den Wirkstoff Methylphenidath (Handelsname Ritalin), sondern um die „hyperkinetische Störung im Kindesalter“ (später bekannt als ADHS).

Die Krankheit heißt ADHS, mit dem Mittel Ritalin setzen der Pharmariese Novartis und andere seit Jahrzehnten Milliarden um, der genannte US-Nervenarzt trug den Namen Leon Eisenberg.

Die Fakten: Das Fachgebiet des Kinder- und Jugendpsychiaters und Hochschulprofessors Leon Eisenberg war die klinische medizinische Forschung und er war einer der Vorreiter bei der Entwicklung von randomisierten klinischen Studien. In diesem Rahmen entdeckte er in den 1960ern den positiven Effekt, den Psychostimulanzien bei Hyperaktivität haben können.
Tatsächlich setzen Pharmakonzerne mit Medikamenten mit dem Inhaltsstoff Methylphenidat jährlich weltweit Milliarden um. Genau so wie mit Insulin, Entzündungshemmern oder Antiasthmatika.

Doch die Wahrheit kommt immer ans Licht, auch wenn es manchmal etwas länger dauert: Kurz vor seinem Tod 2009 offenbarte der 87-jährige den Schwindel: Niemals hätte er gedacht, dass seine Erfindung einmal derart populär würde, sagte er in einem Bericht. »ADHS ist ein Paradebeispiel für eine fabrizierte Erkrankung«!

Die Fakten: Hier wird falsch zitiert. Der Satz „Niemals hätte er gedacht, dass seine Erfindung einmal derart populär würde“ stammt nicht von Eisenberg, sondern von dem deutschen Journalisten Jörg Blech, der dies in einem Spiegel-Artikel „Schwermut ohne Scham“ schreibt.

Eisenberg war lange vor der Aufnahme der „hyperkinetische Reaktion des Kindesalters“ ins Diagnosewerk ICD-9 (1978) darüber besorgt, dass die Diagnose nicht objektiv, sondern nur anhand von Beobachtungen erfolgte. Bereits 1972 schrieb er im New England Journal of Medicine, „[…] Darüber hinaus geht sicherlich mit jeder Diagnose, welcher keine ausreichenden pathophysiologischen Befunde zugrunde liegen, ein potentielles Missbrauchsrisiko einher.“ (S. 249)

Kritik am Diagnoseprozess und an unsorgfältigen Abklärungen

Eine fabrizierte Krankheit. Das belegt auch eine Studie aus dem Jahr 2012: Angesichts dramatisch gestiegener Zahlen von ADHS- Diagnosen (zwischen 1989 und 2001 um das 400-fache) sind sich die Forscher jetzt nahezu einig: ADHS wird meist zu schnell zum Damoklesschwert für lebhafte Kinder erhoben, Jungen geraten weitaus häufiger in die Falle.

Die Fakten: Der Artikel verlinkt an dieser Stelle auf einen andere Artikel, der seinerseits eine Interpretation der Studie von K. Bruchmüller et al. darstellt. Die Studie „Is ADHD diagnosed in accord with diagnostic criteria? Overdiagnosis and influence of client gender on diagnosis.“ ist als Primärquelle online verfügbar. Bruchmüller und ihre KollegInnen untersuchen darin nicht, ob ADHS existiert, oder ob es eine „fabrizierte Krankheit“ sei. Allein deshalb ist die Studie kein Beleg, wie hier behauptet wird.

Bruchmüller et al. machen in ihren Schlussfolgerungen jedoch tatsächlich auf ein wichtiges Problem aufmerksam: Nämlich dass viele Fachleute sich nicht an die empfohlene Prozedur zur Diagnosestellung halten würden: „Therapists do not adhere strictly to diagnostic manuals. Our study suggests that overdiagnosis of ADHD occurs in clinical routine and that the patient’s gender influences diagnosis considerably. Thorough diagnostic training might help therapists to avoid these biases. “

Daraus schliessen sie jedoch nicht, dass ADHS nicht existieren würde, sondern dass Fachleute besser in der Diagnoseprozedur ausgebildet werden müssen. Auch die Aussage, dass ADHS „meist zu schnell zum Damoklesschwert für lebhafte Kinder erhoben“ würde, ist in der erwähnten Forschungsarbeit NICHT zu finden, obwohl „admin“ das suggerieren möchte.

Es ist in der Tat so, dass eine „hyperaktive Störung des Kindesalters“ auch andere Ursachen haben kann, als ADHS. Aus diesem Grund ist neben der neuropsychologischen Abklärung mithilfe von standardisierten Tests und Fragebögen auch eine internistische und neurologische Differentialdiagnose zwingend erforderlich. Nur so können andere mögliche Ursachen für die „Zappeligkeit“ ausgeschlossen und eine individuell passende Therapie eingeleitet werden.

Dem Pharma-Kartell dürfte das alles nur recht sein.

Leider erfahren wir nichts über dieses Kartell, beispielsweise, welche Firmen oder Personen daran beteiligt sein sollen.

Diese »fabrizierte Erkrankung« ist inzwischen weltweit als psychische Erkrankung manifestiert.

Die Fakten: Hyperkinetische Störungen der Kindheit und des Jugendalters, zu denen die Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung gehört, haben an sich noch keinen Krankheitswert. Zahlreiche ihrer möglichen Folgen und Komorbiditäten (Depression, Suchtverhalten,…) jedoch schon.

Zu Unrecht, wie sich zunehmend herausstellt: Das, was als ADHS oder ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) bekannt ist und angeblich genetisch bedingt sein soll, basiert in Wahrheit häufig auf mehreren ganz natürlichen Gründen und hat wenig mit einem echten Psycho-Krankheitsbild zu tun, wie mir der ehemalige Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Hamburger Uniklinik Eppendorf, der verstorbene Prof. Dr. Peter Riedesser schon vor wenigen Jahren eindringlich erklärt hatte:

Die Fakten: Die erwähnten „natürlichen Gründe“ sind gewisse körperliche oder psychische Erkrankungen, Fehlernährung, pädagogische Fehler, Traumata, ein Problem im familiären Umfeld (Scheidung, Armut,…) uva. und sie müssen – in Ermangelung eines biologischen Markers für ADHS – einzeln ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose ADHS gestellt wird. (Quelle)

Wortwahl: Hier scheint ein Ich-Erzähler am Werk zu sein. Da wäre es interessant zu erfahren, wer dieser „Ich“ ist und in welchem Zusammenhang Herr Prof. Dr. Riedesser mit ihm oder ihr gesprochen hatte.

Ist ADHS ein modernes Problem?

Oftmals spielen familiäre Probleme eine wichtige Rolle, die es zu untersuchen gilt, außerdem sind allermeist Jungs betroffen, was auch damit zusammenhängt, dass diese nicht selten ein ungezügelteres Temperament haben als ihre weiblichen Mitstreiter. Doch am Verhalten der Mädchen werden meist die Vorgaben zum Verhaltenskodex entwickelt, sowohl für Kinderbetreuungsanstalten als auch in der Schule. Sofern die Jungs naturgemäß wilder spielen, gelten sie schon recht schnell als verhaltensauffällig. ADHS ist in Wirklichkeit ein Problem der unverstandenen Jungen von heute.

Die Fakten: Die Symptome der Attentio Volubilis wurde erstmals im Jahr 1775 vom deutschen Arzt Melchior Adam Weikard beschrieben. Konzentrationsschwäche, leichte Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, teilweise langsame oder vorschnelle Reaktionen, Impulsivität und unangebrachte Emotionalität haben weder mit dem modernen Schulsystem, noch mit „Kinderbetreuungsanstalten“ zu tun.

Was hat ADHS mit dem Geschlecht zu tun?

Das Geschlecht ist in diesem Zusammenhang relevant, weil ADHS bei Mädchen oft übersehen wird, weil sich bei ihnen die Hyperaktivität sehr oft gegen Innen und nicht nach Aussen manifestiert, bzw. Mädchen oft eher ADS ohne Hyperaktivität) haben. In diesem Bereich besteht noch viel Forschungsbedarf. Die Tatsache, dass Mädchen mit ADHS oft übersehen und deshalb später diagnostiziert werden (oft erst im Erwachsenenalter, wenn Komorbiditäten auftreten) bedeutet keinesfalls, dass ADHS „ein Problem der unverstandenen Jungen von heute“ ist.

Ein Beispiel: Als ich vor einigen Jahren die Mutter eines Nachbarsjungen weinen sah, fragte ich sie, was los sei. Sie antwortete, die Kindergärtnerin habe ihr soeben mitgeteilt, dass ihr Sohn ADHS, das so genannte Zappelphilipp-Syndrom, habe und dass der Kleine nun das hochpotente Pharmakon Ritalin nehmen müsse. Der Junge sei schließlich hyperaktiv. Ich stutzte, denn das war meines Erachtens kaum vorstellbar, der Bub war weder verhaltensauffällig noch hyperaktiv, sondern er machte einen kerngesunden und lebhaften Eindruck. Woher die Kindergärtnerin das denn so genau wisse, fragte ich die Frau, sie sei doch weder Psychologin noch Ärztin. Die Nachbarin antwortete, die Betreuerin halte Abendkurse zu genau diesem Thema ab.
Glücklicherweise erreichte ich Prof. Riedesser sofort telefonisch und berichtete den Fall. Der Arzt bestellte den Jungen ein und untersuchte ihn gründlich. Diagnose: Das Kind war völlig in Ordnung. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Die Pharmaindustrie schult seit geraumer Zeit Erzieher und Lehrer von Kindergärten und Schulen, damit diese einen »genauen Blick« auf lebhafte Kinder haben sollen, deren Eltern man dann die gefährliche Diagnose und das passende Medikament gleich dazu mitteilt.

Hier outet sich die Autorin oder der Autor namens „admin“ als Person, als „ich“, mit einer Nachbarin und einer persönlichen Beziehung zum verstorbenen Herrn Prof. Riedesser, der auf einen Anruf von ihm oder ihr hin alles stehen und liegen lässt, um mit einem fremden Kind ein mehrtätiges Diagnoseverfahren zu durchlaufen.
Da ist meine Neugierde natürlich geweckt: Wer ist diese/r „ich“ und wieso steht er oder sie nicht mit seinem/ihren Namen zu dem Geschriebenen? Seine/ihre Erzählungen wären so viel glaubwürdiger! So aber bleibt die Echtheit der erzählten Begebenheit einfach eine unbelegte Behauptung.

Zu den Fakten: Kindergärtner/innen und Lehrpersonen lernen in Aus- und Weiterbildungen, auf mögliche Verhaltensauffälligkeiten und Teilleistungsschwächen bei ihren Schülerinnen und Schülern zu achten und ggf. den Eltern gegenüber einen Verdacht zu äussern und ihnen eine entsprechende Abklärung zu empfehlen. Sie sind weder qualifiziert, eine Diagnose zu stellen, noch ist ihnen erlaubt, ein Medikament zu verschreiben. Beides bleibt den Fachleuten vorbehalten.

Ist der Wirkstoff Methylphenidat harmlos?

Dabei muss man wissen: Ritalin ist nicht irgendeine Pille, sondern harter Tobak: Es enthält Methylphenidat und greift dort in den Gehirnstoffwechsel ein, wo Aufmerksamkeit und Bewegung kontrolliert werden.

Die Fakten: Methylphenidat ist ein hoch wirksamer Wirkstoff, der in den Stoffwechsel im Gehirn eingreift. Ritalin & Co werden deshalb erst nach sorgfältiger Ablärung, dem Ausschluss anderer möglichen Ursachen der Symptome, und Risikoabwägung durch Fachleute im Rahmen eines Therapieplanes verschrieben. Gemäss dem seit einigen Jahren von den Fachverbänden empfohlenen multiodalen Therapiekonzept ist die medikamentöse Therapie der letzte von mehreren Therapiebausteinen und wird insb. dann eingesetzt, wenn die anderen Bausteine nicht greifen oder nicht greifen können, weil das Kind ohne Medikation nicht therapiefähig ist. (Quelle)

Wortwahl: Mit dem Ausdruck „Ritalin ist nicht irgendeine Pille“ unterstellt die Autorin oder der Autor Ärzt/innen, Eltern und Betroffenen, sie wüssten um die Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen von MPHs nicht Bescheid oder würden diese Medikamente für harmlos halten.

Gibt es Langzeitforschung zu Methylphenidat und verursacht Methylphenidat Parkinson?

Das Fatale: Die Wirkung von Methylphenidat im Menschen ist noch längst nicht vollständig erforscht. Man weiß nichts über die Folgen bei den nächsten Generationen, gefährliche Krankheiten wie Parkinson sollen zum Beispiel mit der Vergabe von Ritalin zusammenhängen.

Die Fakten: Methylphenidat ist wird seit Mitte der 1950er Jahre – d.h. über 60 Jahre – von Menschen eingenommen und gilt damit als einer der am längsten benutzten Arzneistoffe. Zu dem erwähnten vermuteten erhöhten Risiko für Parkinson äussert sich der deutsche Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte wie folgt: „In einer Studie an jeweils 5 Ratten pro Gruppe wurde nachgewiesen (Moll et al.), dass MPH die Zahl der Dopamin-Transporter senkt, im vorpubertären Alter dauerhaft. Prof. Hüther, der schon Jahre an Rattenhirnen forscht, aber keine Patienten betreut, sieht darin, im Gegensatz zu den Mitautoren dieser Studie, eine mögliche Gefahr. Für seine Warnung vor einer möglichen Parkinson Erkrankung in der behandelten Patientengruppe gibt es weltweit in der Literatur keinen Hinweis – obwohl Methylphenidat seit 1955 in der Therapie verwendet wird.“ (Quelle)

Die Nebenwirkungen der kleinen weißen Pille reichen von Appetitlosigkeit und Schlafstörungen, von Angst-, Spannungs- und Panikzuständen bis hin zu vermindertem Wachstum. Außerdem: Ritalin ist ein Psychopharmakon und gehört zu der Gruppe der Betäubungsmittel, genau wie Kokain und Morphium. Es wird jedoch, wie erwähnt, bereits kleinen Kindern verschrieben, oftmals über Jahre hinweg.

Die Fakten: Es ist korrekt, dass Methylphenidate zu den Stoffen gehören, die unter die Betäubungsmittelgesetze verschiedener Länder fallen. Damit sind sie in guter Gesellschaft, denn auf dieser Liste befinden sich auch zahlreiche Schmerz-, Husten- und Schlafmittel, sowie Anästhetika und zahlreiche psychiatrische Medikamente. Betäubungsmittel haben ein hohes Missbrauchspotenzial und unterstehen deshalb strengeren gesetzlichen Bedingungen und Kontrollen, als andere Medikamente. Sie sollten medizinisch nur dann eingesetzt werden, wenn ihr Nutzen ein mögliches Risiko übersteigt. (Quelle: Betäubungsmittelgesetz)

Kann Ritalin ADHS heilen?

Denn die »Krankheit« wird durch Ritalin nicht geheilt, sobald das schwere Medikament abgesetzt wird, sind die Symptome sofort wieder da.

Die Fakten: Die Aussage ist korrekt. Ritalin wirkt nach heutigem Wissensstand „on/off“, das heisst, es verändert nichts an der „Hardware“ im Gehirn. ADHS kann nach heutigem Stand der Wissenschaften überhaupt nicht geheilt werden. Methylphenidate heilen ADHS nicht. So wenig übrigens, wie Insulin Diabetes heilt oder eine Brille Kurzsichtigkeit.

»Ritalin ist eine Pille gegen eine erfundene Krankheit, gegen die Krankheit, ein schwieriger Junge zu sein«, heißt es bei der Deutschen Apothekerzeitung.

Falsch. Hier zitiert die Deutsche Apothekerzeitung einen Teaser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ aus dem Jahr 2012. Der Satz stammt also von einer Journalistin, die vor 7 Jahren ihre Leserschaft auf ihren Artikel neugierig machen wollte, nicht von der Apothekerzeitung.

Wurde Ritalin erfunden, um Jungen zu benachteiligen?

Und der Erfinder von ADHS, der vielfach ausgezeichnete US-Nervenarzt Eisenberg, sagte am Ende seines Lebens bestürzt: »Die genetische Veranlagung für ADHS wird vollkommen überschätzt«. Stattdessen sollten Kinderpsychiater lieber viel gründlicher die psychosozialen Gründe ermitteln, die zu Verhaltensauffälligkeiten führen können […]

Die Fakten: Eisenberg ist nicht „der Erfinder von ADHS“, die Störung bzw. der Symptomkomplex wurde bereits im 18. Jahrhundert in der medizinischen Literatur beschrieben, auch wenn es damals noch anders hiess.
Zweitens hat Eisenberg, wie weiter oben beschrieben, nicht erst „am Ende seines Lebens“ – und auch nicht „bestürzt“ oder „reumütig“ – bereits 1972 auf die Problematik der nicht objektiven Diagnostik und die Notwendigkeit einer gründlichen Abklärung zum Ausschluss anderer möglicher Ursachen für die Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität (familiäre Probleme, physiologische Ursachen,…) hingewiesen.

»Unsere Systeme sind für Jungen unfreundlich geworden«, sagt auch der Professor für Arzneimittelversorgungsforschung an der Universität Bremen, Gerd Glaeske. Jungen wollten risikoreicher leben und sich erproben. Dafür fehlten ihnen aber heute die Freiräume. Jungen versuchten, Grenzen zu überschreiten, das gelte in unserem System als auffällig. »Wenn man sagt, dass Jungen stören, muss man auch über die reden, die sich davon gestört fühlen«, so der Professor.

Die Fakten: Dieser Abschnitt wurde aus dem Zusammenhang gerissen und ohne als Zitat gekennzeichnet zu werde 1:1 aus der Artikel der FAZ von 2012 kopiert (Quelle). Gerd Glaeske ist Pharmazeut und verantwortlich für den Arzneimittelreport der BAMER Krankenkasse. In diesem Zusammenhang ist auch obige Aussage entstanden. (Quelle)

Die FAS schrieb am 12. Februar 2012, die Diagnose ADHS werde inflationär zur Erklärung von Schulversagen herangezogen, und weltweit mache allein Novartis einen Umsatz von 464 Millionen Dollar mit der Pille, die störende Jungen »glatt, gefügig und still« mache. Vor zwanzig Jahren seien in Deutschland 34 Kilo Methylphenidat ärztlich verordnet worden – heute seien es 1,8 Tonnen. Weltweit sollen etwa zehn Millionen Kinder Ritalin verschrieben bekommen, in Deutschland sollen es etwa 700.000 sein.

Diese Sätze stammen aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ, Quellen für die Herkunft der Zahlen werden nicht genannt.

Ethische Aspekte von medikamentöser Therapie bei ADHS

Die schweizerische Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin NEK äußerte sich in einer Stellungnahme im November 2011 äußerst kritisch zur Verwendung des ADHS-Medikaments Ritalin: Das Verhalten des Kindes werde durch Chemie ohne jegliche Eigenleistung beeinflusst. Das sei ein Eingriff in die Freiheit und die Persönlichkeitsrechte des Kindes, denn chemische Wirkstoffe verursachten zwar gewisse Verhaltensänderungen, das Kind lerne aber unter Chemie nicht, wie es sein Verhalten selbst ändern könne. Damit würden ihm wichtige Lernerfahrungen für eigenverantwortliches und mitmenschliches Handeln vorenthalten, »die Freiheit des Kindes empfindlich eingeschränkt und es in seiner Persönlichkeitsentwicklung gehemmt«, kritisierte die NEK. Über die gesundheitlichen Folgen der Einnahme des Psychopharmakons verlautete indes offenbar nichts.

Die Fakten: Der gesamte, 12-Seitige Text aus dem Jahr 2011 kann hier heruntergeladen und im Zusammenhang gelesen werden. Die darin ausgesprochenen, durchaus berechtigten Bedenken und Empfehlungen der Ethikkommission haben in der Zwischenzeit Eingang in die Empfehlungen der Verbände von Kinderärzten und Kinder- und Jungendpsychiatern gefunden.

Die erwähnten „gesundheitlichen Folge der Einnahme des Psychopharmakons“ werden leider nicht näher erläutert, weshalb ein Faktencheck nicht möglich ist.

Differenzialdiagnostik

Peter Riedesser warnte: »Hyperaktivität kann Anzeichen einer tieferen Störung sein, etwa einer Depression, die anders zu behandeln ist als mit Ritalin«.

Die Fakten: Die Aussage ist korrekt und seit Langem bekannt, deswegen schreibt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie: „Im Rahmen der differentialdiagnostischen Untersuchung ist es wichtig, begleitende Probleme wie Störungen im Sozialverhalten, Lernschwierigkeiten, depressive Verstimmungen, Angst o. Ä. zu erkennen, um sie gegebenenfalls gesondert behandeln zu können. Alle diese Störungen können nicht nur mögliche Begleiterscheinungen der ADHS (Komorbidität) sein, sondern auch das verursachende Krankheitsbild, das die Verhaltensauffälligkeiten hervorruft. Diese Erkrankungen müssen vor der Diagnosestellung als Ursache der Symptomatik ausgeschlossen werden, denn unter Umständen können Intelligenzminderung (oder in selten Fällen auch Hochbegabung), Schädel-Hirn-Traumen, Epilepsie, Schilddrüsenstörungen und andere psychische Erkrankungen (z.B. kindliche depressive Verstimmungen, Ängste, Zwangserkrankungen, tiefgreifende Entwicklungsstörungen (wie z. B. Asperger Syndrom), Psychosen bei Jugendlichen (Schizophrenie), posttraumatische Belastungsstörungen) zu ähnlichen Anzeichen wie bei einer ADHS führen.“ (Quelle: Neurologen und Psychiater im Netz)
Herr Dr. Riedesser erklärt da der Presse also etwas, das in Fachkreisen bereits seit Jahren so gehandhabt wird.

Gerald Hüther und seine Ratten

Der renommierte Wissenschaftler und Professor für Neurobiologie Gerald Hüther warnt schon lange vor der sorglosen Abgabe des hochpotenten Medikaments an kleine Kinder sowie vor der Annahme, man habe es bei ADHS mit einer echten Krankheit genetischen und biologischen Ursprungs zu tun.

Dr. Gerald Hüther ist kein echter Professor mit Lehrauftrag. In Fachkreisen ist er höchst umstritten, weil er neuere wissenschaftliche Erkenntnisse in seinen populären Schriften und Aussagen entweder ablehnt, ohne sie zu widerlegen, oder sie einfach ignoriert, wenn sie nicht zu seinen Thesen passen. (Quelle Psiram)

In einem Interview sagte der Wissenschaftler, als das Krankheitsbild vor Jahrzehnten definiert worden sei, habe man nicht gewusst, wie formbar Kindergehirne sind, wie sich die Hirnstrukturen anhand der während der frühen Kindheit gemachten Erfahrungen erst herausbilden. »Damals ging man noch davon aus, dass es nur irgendwelche fehlerhaften genetischen Programme sein könnten, die zu solchen Störungsbildern führten«, so Hüther. »Diese Vorstellung war in vieler Hinsicht vorteilhaft. Sie bürdete niemandem Verantwortung auf und entlastete damit nicht nur die Eltern, sondern auch die Erzieher und Lehrer. Und sie passte zum Reparaturdenken der damaligen Zeit: Wenn etwas nicht richtig funktionierte, nahm man eben eine Pille«.

Die Fakten: Die ADHS-Forschung ist in den letzten 50 Jahren nicht stillgestanden und Erkenntnisse der Hirnforschung haben fortlaufend Eingang in bestehende Theorien zur Entstehung, Diagnose und Behandlung gefunden und diese ergänzt und erweitert. Nach heutigem Forschungsstand wird für die Ursache von einer Kombination von erblicher Vorbelastung, Komplikationen und Belastungen während Schwangerschaft und Geburt, sowie psychosozialen Einflüssen in der frühen Kindheit ausgegangen. (Quelle: Neurologen und Psychiater im Netz, die Informationsseite der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz)

Betroffene Eltern sollten sich nicht gleich verunsichern lassen, wenn Erzieher oder Lehrer meinen, ihr Kind habe ADHS. Sie sollten sich erst einmal in Ruhe umhören und sich mit anderen Personen austauschen, die ihr Kind kennen und die es auch mögen. »Vielleicht haben die eine Idee, wie ihm zu Hause, in der Schule und vor allem im Umgang mit Freunden geholfen werden kann«.

Die Fakten: Sich von anderen Menschen nicht verunsichern lassen, ist auf jeden Fall eine gute Idee. Eltern von Kindern mit ADHS wissen in der Regel schon früh, dass ihr Kind „anders“ ist als andere, „intensiver“ und „anstrengender“. Deshalb ist dieses Kriterium auch ein wichtiger Teil der Diagnostik/Abklärung: „Damit überhaupt von einer ADHS ausgegangen werden kann, müssen die Verhaltensauffälligkeiten über einen längeren Zeitraum, wenigstens über sechs Monate, vorhanden sein und schon im Vorschulalter, in mindestens zwei Lebensbereichen (bspw. Familie und Kindergarten/Schule), beobachtet worden sein.“ (Quelle: Neurologen und Psychiater im Netz)

Kritik gab es schon immer

Der Neurobiologe war einer der ersten offenen Kritiker der »Krankheit« und des dazugehörenden Medikaments und löste vor einigen Jahren eine hitzige Fachdiskussion aus.

Die Fakten: Fachliche Kritik am Krankheitswert der „hyperkinetischen Störung im Kindesalter“ bzw. ob es sich dabei überhaupt um eine Störung handelt, wurde bereits in den späten 1960er Jahren geäussert, insbesondere 1967, als es um die Aufnahme in die ICD-09 ging. Das weiss „admin“, denn sie oder er erwähnt ein paar Absätze weiter unten den „immensen Widerstand der psychiatrischen Fachwelt“ gegen diese Aufnahme. Herr Hüter war zu dem Zeitpunkt übrigens 16 Jahre alt.

Therapieziel bei ADHS: Leistungssteigerung (Hüther) vs. Lebensqualität (DGKJP)

Hüther hat sich als einer der ganz wenigen Wissenschaftler klar als Anwalt für die Kinder positioniert: »Erwachsene müssen selbst entscheiden, ob sie sich mithilfe von Psychostimulanzien noch besser an die absurden Leistungsanforderungen unserer gegenwärtigen Gesellschaft anpassen wollen. Aber Kinder können das noch nicht selbst entscheiden, diese Entscheidung müssen ihre Eltern als verantwortungsbewusste Erwachsene treffen«.

Die Fakten: Das erklärte Ziel jeder ADHS-Therapie ist gemäss den Berufsverbänden und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz (Neurologen und Psychiater im Netz) die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Der Therapieplan wird individuell erstellt. „Abhängig vom Erscheinungsbild, dem Schweregrad der Erkrankung und Art der Begleitstörungen und dem Ausmaß der Beeinträchtigung kommen für die Therapie psychosoziale, pädagogische, psychotherapeutische und medikamentöse Maßnahmen in Frage, die sich als einzelne Bausteine im Rahmen eines Gesamtbehandlungskonzeptes ergänzen können.“ (Quelle: Neurologen und Psychiater im Netz)

Nahezu der Rest der Fachwelt hüllt sich in dezentes Schweigen zu diesem schwerwiegenden Thema.

Die Fakten: Tatsächlich gehen die Fachverbände nicht (mehr) auf den Vorwurf ein, da sie ihn bereits vor Jahrzehnten widerlegt haben. Es gibt zwei Situationen, in denen die Leitlinien der Fachgesellschaften begleitend zu anderen Therapieformen und nach umfassender Beratung der Eltern eine medikamentöse Behandlung empfehlen:

  • bei einer stark ausgeprägten ADHS-Symptomatik, welche die schulische Leistungsfähigkeit, die Freizeitaktivitäten des Kindes oder Jugendlichen oder das Zusammenleben in der Schule, in der Familie oder mit Freunden erheblich beeinträchtigt;
  • wenn im Rahmen einer Verhaltenstherapie die ADHS-Symptomatik sich nicht hinreichend verbessern lässt und beeinträchtigende ADHS-Symptome weiterhin bestehen.

(zitiert nach Neurologen und Psychiater im Netz)
Ausser der beeinträchtigten schulischen Leistungsfähigkeit, deren Verbesserung Hüther kritisiert, findet man hier also zahlreiche andere Faktoren. Faktoren, über die sich Herr Hüther „in dezentes Schweigen hüllt“, um es mit seinen eigenen Worten auszudrücken.

Hat Eisenberg ADHS wirklich nicht erfunden?

Der Erfinder von ADHS, der ehemalige US-Nervenarzt Leon Eisenberg, der später die Leitung der Psychiatrie am renommierten Massachusetts General Hospital in Boston übernahm und zu einem der bekanntesten Nervenärzte der Welt wurde, hatte sich im Jahr 1967 auf einem Seminar der Weltgesundheitsorganisation gemeinsam mit seinem Kollegen Mike Rutter mit allen Kräften und gegen den immensen Widerstand der psychiatrischen Fachwelt dafür eingesetzt, die angebliche Hirnstörung als eigenständige Krankheit in den weltweiten WHO-Katalog der psychiatrischen Leiden aufzunehmen.

Die Fakten: Leon Eisenberg hat ADHS nicht erfunden. Die Störung wurde schon zwei Jahrhundert vor seiner Geburt in der medizinischen Fachliteratur beschrieben. Auch die Symptome existieren unabhängig davon, wie Eisenberg sie genannt hat.

„erfundene Macke“ vs. „echtes Leiden“

Trotz scharfen Gegenwinds ist ihm das, aus welchen Gründen auch immer, »erfolgreich« gelungen. Der Psychiater hat damit einen bösen und hartnäckigen Geist in die Welt gesetzt, den diese, angesichts eingefahrener Milliardengewinne der Pharmaindustrie, nicht mehr los wird. Bis heute hat die angebliche psychische Erkrankung ihren Platz im Diagnostischen und Statistischen Manual, bis heute gibt es Millionen von Eltern, die glauben, psychisch kranke Kinder zu haben, und bis zum heutigen Tage laufen Millionen von Jungen und auch Mädchen mit dem Stempel herum, »eine schwere Macke« zu haben.

Die Fakten: Kinder mit ADHS haben oft ein schlechtes Verhältnis zu Gleichaltrigen, werden gemobbt, gehänselt oder wegen ihrem impulsiven Verhalten und ihrer mangelnden Anpassungsfähigkeit zum Sündenbock für andere. Kinder mit unbehandelter ADHS landen trotz normaler oder hoher Intelligenz in Sonderschulen für Lernbehinderte und in Berufen mit niederem Anforderungsprofil. Sie bleiben damit weit unter ihrem Potenzial, unter dem, was sie „eigentlich können“. Neben der Schule ist auch das Familienleben stark belastet und Freizeitaktivitäten (Sportclubs, Musikstunden,…) für diese Kinder schwierig.
Kinder mit ADHS sind sich bewusst, dass sie von ihre Mitmenschen abgelehnt werden und sie wünschen sich, besser mit ihnen auszukommen, weniger anzuecken und allgemein weniger Probleme zu haben. Da sie aufgrund ihrer Störung ihr eigenes Verhalten nur zum Teil korrigieren können, treten bereits bei Kindern, aber stärker noch bei betroffenen Jugendlichen und Erwachsenen Begleitstörungen – sog. Komorbiditäten – auf: Mangelndes Selbstwertgefühl, sozialer Rückzug, Depressionen, Drogenprobleme, erhöhte Selbstmordgefahr usw., usf. Überproportional viele Unfallopfer sind ADHS-Patenten, weil sei aufgrund ihrer Störung Gefahren falsch einschätzen oder mögliche Handlungsauswirkungen nicht korrekt antizipieren können.

Das alles stört die Pharmaindustrie indes nur wenig, inzwischen bieten alleine in Deutschland sechs Firmen das Medikament unter verschiedenen Namen an. Die Kraken streichen weiterhin ungerührt ihre Milliarden ein, ungeachtet möglicher Schwerstfolgen für Körper und Seele der Kinder, ungeachtet auch des Drucks auf die jungen Generationen, nur noch funktionieren zu müssen, und wenn es eben unter Drogen ist, und ungeachtet einer Welt, die nicht mehr fragen will nach natürlichen Ursachen und Gründen, sondern die täglich erbarmungslos neue künstliche Gebrechen erfindet, um damit ordentlich Kasse zu machen.

Die Fakten: Indem sie oder er die Aussagen von Betroffenen völlig ignoriert, negiert „admin“ deren individuellen Leidensweg. Man fragt sich, welche Motivation dahinter steckt. Ob es wirklich nur Geltungsdrang der Autorin oder der Autors ist oder geht es vielmehr darum, andere, so genannte „alternative“ Heilsversprechen zu verkaufen? Welchen Sinn soll es haben, leidenden Kindern nicht zu helfen und gar zu behaupten, ihr Leiden sei erfunden?

Schlussfolgerung

Es gibt in der Erforschung von Ursachen, Diagnoseverfahren und Behandlung von ADHS noch viel Arbeit für die Fachleute. Sachliche und wissenschaftliche Kritik führt zu neuen Erkenntnissen und hilft dem Fortschritt.

Der hier besprochene Artikel ist jedoch weder wissenschaftlich, noch sachliche ADHS-Kritik, sondern einfach ein gehässige Ansammlung unbelegter Tatsachenbehauptungen und Verschwörungstheorien. Somit hat er absolut keinen Mehrwert, weder für die Fachwelt und erst recht nicht für die betroffenen Familien.

Katharina Bleuer / hyperaktiv.rocks-Redaktion

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