Ablenkung ist der Endgegner von hyperaktiven Menschen. Kaum fällt das Auge auf einen Gegenstand, kaum hört das Ohr ein Geräusch, ist die Konzentration dahin und das Gehirn will unbedingt jetzt gleich sofort wissen, was abgeht. Ausgerechnet im Klassenzimmer, wo ein Kind aufmerksam und konzentriert lernen können sollte, gibt es Hunderte von Ablenkungen für die Augen, die Ohren und alle anderen Sinne.
Hier ein paar Ideen, wie Kinder selbst oder mit etwas Hilfe ihre Aufmerksamkeit während den Schulstunden besser steuern und aufrechterhalten können. Denn nur mit mehr Ordnung gibt es weniger Ablenkung im Klassenzimmer!
Ohne Ordnung im Raum gibt es keine Ordnung im Kopf!
Menschen mit ADHS sind oft „kreative Chaoten“. Aber gerade herumliegende Sachen sind eine ständige Quelle der Ablenkung! Hier ein paar hilfreiche Tipps:
- Papiere, Hefte oder Materialien sollten nicht auf dem Schreibtisch herumliegen. Ein Ordnungssystem nach Farben, wie es Sarah in ihrem Artikel zu den Hausaufgaben erwähnt, hilft dem Kind sein Material nach Fächern zu ordnen und es mit einem Blick wiederzufinden.
- Den Dingen einen Platz zuordnen, an dem sie immer gleich weggeräumt werden. Diesen Platz von Aussen gut sichtbar kennzeichnen (mit Worten oder mit Bildern, ggf mit dem oben erwähnten Farbcode für bestimmte Schulfächer).
- Die Vorstellung „Arbeiten wie ein Kellner“ hilft, die Ordnung auch unter Druck aufrecht zu erhalten.
Was bedeutet „Arbeiten wie ein Kellner“? Die Aufgabe der Kellnerin oder des Kellners ist mit dem Einkassieren und Verabschieden der Gäste nicht fertig, sondern erst nach dem Abräumen des Tischs, Wechseln des Tischtuchs, Ménage auffüllen und neu Aufdecken für die nächsten Gäste.
Analog dazu: Nach jeder Aufgabe das Material versorgen, die Arbeitsfläche wieder sauber machen, und das Material für die nächste Aufgabe bereitstellen, was fehlt, direkt ersetzen. - Um Ordnung zu machen muss Zeit eingeplant werden! Und zwar vor der Pause, und nicht während oder anstelle!
- Jeder überflüssige Gang ist potenziell eine Möglichkeit, vom Weg abzukommen! Deswegen gilt „zuerst denken, dann handeln“: In welcher Reihenfolge müssen die anstehenden Aufgaben erledigt werden, damit dabei möglichst wenig Hin- und Her entsteht?
Hilfsmittel und Tools, um sich in der Zeit zurechtzufinden und die Zeit zu verwalten
- Denselben Farbcode, den man für sein Arbeitsmaterial benutzt, kann man auch in der Agenda verwenden. So sieht man auf einen Blick, wann welches Schulfach dran kommt und kann das dazu gehörige Material aus dem Schulsack oder dem Pult nehmen.
- Routinen erstellen: Welche Aufgaben kommen täglich, wöchentlich, monatlich wieder? Tragt sie zur immer gleichen Tageszeit (tägliche Routinen) bzw. am immer gleichen Wochentag oder am gleichen Tag im Monat in die Agenda ein. Symbolbilder können helfen, damit sie in vollgeschriebenen Kalendern nicht untergehen.
- Handyalarme einrichten für alle Aufgaben!
- Nachdem die Arbeitsschritte in eine logische Reihenfolge gebracht wurden (siehe oben), gilt es, diese Reihenfolge auch diszipliniert einzuhalten, damit wir nicht vom Weg abkommen und den Fokus halten können.
- Bildschirme ausschalten und weglegen, am besten in einen anderen Raum oder in eine Schublade, auf jeden Fall so, dass sie nicht im Blick sind!
Listen erstellen: Ohne To-Do-Liste gibt es keine Konzentration
Es gibt unzählige Tools und Apps zum Organisieren von Aufgaben und To-Dos. Sie alle haben jedoch einen gewaltigen Nachteil: Sie befinden sich auf einem Gerät mit Bildschirm. Das Handy ist der Endgegner in Sachen Ablenkung! Schon neurotypischen Menschen haben Schwierigkeiten, seinem Lockruf zu widerstehen – für Menschen mit exekutiven Dysfunktionen ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit. Deswegen empfehle ich, To-Do-Listen von Hand und auf Papier anzulegen.
Das Schreiben von Hand hat zudem einen weiteren gewichtigen Vorteil: Man strukturiert und sortiert die Listen bereits im Kopf, vo rund während des Schreibens.
- Alles aufschreiben, was zu tun ist
- Die Aufgaben nach Themen ordnen (zum Beispiel mithilfe des Farbcodes von weiter oben)
- Prioritäten setzen (was ist wichtig, was ist dringend?)
- Bis wann muss die Aufgabe erledigt sein (und wann muss ich damit anfangen, damit ich das schaffe?)
- Die Aufgaben der Liste in eine sinnvolle Reihenfolge bringen, um den Aufwand zu reduzieren
- Die Liste gut sichtbar aufhängen
- Jeden Tag die erledigten Aufgaben durchstreichen
Erinnerungshilfen und Gedächtnisstützen verwenden
Der Satz „Das kann ich mir merken“ gehört zu den am weitesten verbreiteten Irrtümern der Menschheitsgeschichte. Wir alle vergessen ständig Dinge, Einkäufe, wo sie den Schlüssel hingelegt haben, usw. usf. Es gibt verschiedene Lösungen, um dieses Risiko zu minimieren und mehr Ordnung zu schaffen.
- Ein Notizheft, das man bei sich trägt, und in das man alles schreibt, was nicht vergessen gehen soll.
- Ein Smartphone mit einer App wie „Notizen“, „Trello“ oder „Evernote“, in das man Merkzettel oder Sprachnachrichten speichern kann (aber nicht vergessen: Das Handy ist der Erzfeind der Abgelenkten!)
- Sich selbst eine Nachricht schicken: per Mail, oder eine SMS, oder sich selbst auf die Combox sprechen, oder eine Whats-App-Gruppe mit sich selbst machen…
Im Unterricht aufmerksam sein: weniger Ablenkung im Klassenzimmer
- Viele Kinder sind weniger abgelenkt, wenn sie zuvorderst sitzen und die anderen Kinder nicht im Blick haben
- Man kann sich während des Unterrichts Notizen machen, dann bleibt man eher beim Thema und die Gedanken schwimmen weniger davon
- Sich für jede Stunde vornehmen, mindestens eine intelligente Frage zu stellen. Dadurch „zwingt“ man sich ein Bisschen selbst, bei der Sache zu bleiben!
- Am Morgen oder in der Pause die Notizen vom letzten Mal noch einmal lesen, damit man direkt in der Materie „drin“ ist und nicht parallel zum Zuhören sich zu erinnern versuchen muss, was vorher war.
- Erkennen, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt, und den Fokus wiederfinden (zum Beispiel wenn die Augen zu Wandern beginnen, oder wenn der Körper in Bewegung gerät…)
- Handy- und Smartwatch-Verbot, Zeiten ohne Tablets. Denn neuere Forschungen zeigen, dass bezüglich Digitalisierung im Klassenzimmer auch nicht alles Gold ist, was glänzt.
Da sind ja schon ein paar gute Tipps zusammengekommen. Kennt Ihr noch andere, die Ihr gerne mit unseren anderen Leserinnen und Lesern teilen möchtet? Dann notiert sie in den Kommentaren oder meldet Euch per Mail bei mir (info@hyperaktiv.rocks)