Wer zu wenig geschlafen hat, ist schneller gereizt, geht schneller in die Luft, nervt sich schneller, ist schneller frustriert, hat eine geringere Selbstbeherrschung, schlechtere Konzentrationsfähigkeit, kürzere Aufmerksamkeitsspanne,… als wenn er ausgeruht ist.

Bei einer Person, die bereits ausgeruht mit Herausforderungen wie den oben Genannten konfrontiert ist, verstärken sich all diese Symptome, wenn sie zu wenig geschlafen hat.

Leider haben aber gerade Kinder mit ADHS, Hyperaktivität oder ähnlichen Problemen abends oft Mühe zum Herunterfahren und die benötigte Bettschwere zu finden. Sie leiden deshalb besonders oft unter Schlafmangel.

Vielleicht helfen Euch die folgenden Tipps, damit Euer Kind entspannter einschlafen kann:

Druck rausnehmen

Als erstes kann man sich fragen: Braucht mein Kind tatsächlich noch so viel Schlaf, wie ich meine? Der Schlafbedarf sinkt ja kontinuierlich!

Manchmal ist das Kind einfach noch nicht müde, wenn es ins Bett soll. Das, in Verbindung mit der Ungeduld hyperaktiver Kinder, führt dann schon nach drei Sekunden zum bekannten „ich kann nicht einschlafen“. Dann schaukelt es sich hoch…

Vor allem wenn ihr kürzlich mit der Medikation begonnen habt, ist es gut möglich, dass das Kind jetzt weniger müde ist und weniger Schlaf benötigt. Denn die Anpassungsleistungen, die es in der Schule, im Sport und Zuhause erbringen muss, fressen extrem viel Energie. Mit Medikament fällt diese Leistung viel weniger ins Gewicht, weshalb das Kind auch nicht mehr so erschöpft ist.

Deshalb versucht doch als erstes einfach mal, die fixen Schlafenszeiten aufzuheben und das Kind dann ins Bett gehen zu lassen, wenn es müde ist. Trotzdem natürlich zur gewohnten Zeit wecken am Morgen. Normalerweise, wenn alles gut läuft, sollten Kinder selber in der Lage sein, ihren Schlafbedarf zu regulieren und sie werden nicht wie wir Erwachsenen, ein Schlafmanko über Wochen aufbauen und kumulieren.

Tageslicht

Die natürliche Veränderung Lichtstärke im Laufe des Tages steuert die biochemischen Abläufe in unserem Körper, die bestimmen, ob wir uns wach oder müde fühlen.

Seit wir uns tagsüber ständig in künstlich beleuchteten Räumen aufhalten, zusätzlich noch verstärkt durch zahlreiche Bildschirme mit ihren Lichtwellen in Frequenzen, die die Gehirntätigkeit zusätzlich stimulieren, kommt unsere „innere Uhr“ durcheinander. Schon viele Erwachsene haben damit Mühe und können beispielsweise trotz Müdikeit schlecht einschlafen. Viele Kinder können aber gar nicht damit umgehen.

Moderne Kinder verbringen den grössten Teil des Tages in Innenräumen: In der Schule, im Hort, beim Aufgaben machen… Hier müssen wir als Eltern erfinderisch werden und dafür sorgen, dass unsere Kinder trotzdem möglichst oft im Freien sich aufhalten können.

Was kann in Innenräumen Abhilfe schaffen?

  • morgens und tagsüber Tageslichtlampen (mit über 10’000 Lumen) benutzen, abends gelbes Licht mit geringerer Lichtstärke vorziehen
  • mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen keine Bildschirme (TV, Handy, Tablet, Computer) mehr benutzen
  • alle Arten von elektromagnetischer Strahlung (Wifi, Bluetooth, Schnurlostelefon, Handy) abends auf ein Minimum reduzieren, da sie die Gehirntätigkeit stimulieren

Bewegung an der frischen Luft

Der Aufenthalt im Freien hilft, sich körperlich dem natürlichen Tag- und Nachtrhythmus wieder anzunähern. In Verbindung mit Bewegung, werden darüber hinaus Stresshormone abgebaut, der Blutdruck gesenkt und die allgemeine Anspannung verringert.

Kinder sind nicht zum Stillsitzen gemacht, sondern sind – sofern man sie lässt – eigentlich ständig in Bewegung. Das fehlt im heutigen Alltag und verstärkt die motorische Unruhe der Kinder in Momenten, in denen sie still sitzen sollten. Am Abend kommen sie dann kaum mehr zur Ruhe.

Erfahrungsgemäss hilft es, wenn man dem Kind tagsüber und am frühen Abend immer wieder Aufenthalte von einer halben Stunde oder mehr an der frischen Luft ermöglicht oder wenn nötig sogar erzwingt (bei jedem Wetter!). Da wirkt einerseits die oben beschriebene Sache mit dem Tageslicht, andererseits auch die frische Luft, der Sauerstoff und die Bewegung, die die körperlichen Abläufe in Schwung bringt. Erwachsene sollten, um gesund zu bleiben, ungefähr 5 bis 8 Kilometer täglich zurücklegen, bei Kindern ist es noch einiges mehr.

Das Bewegungsbedürfnis des Kindes ist für ihre gesunde Entwicklung wichtiger, als erledigte Hausaufgaben! Wenn also nicht genug Zeit für beides, Hausaufgaben und draussen Spielen ist, dann schicken Sie das Kind hinaus zum Spielen und schreiben der Lehrperson eine Notiz, dass es die Ufzgi nachholen wird.

Direkt von draussen ins Bett wird aber nicht funktionieren. Denken Sie daran, dass das Kind nach der Bewegung auch wieder „herunterfahren“ muss, um die nötige Bettschwere aufzubauen.

Aufgewühltheit / Stress / geistige Unruhe

Viele hyperaktive Kinder sind gestresst. Sie haben Probleme in der Schule, sind Mobbing ausgesetzt, fürchten sich vor Tadel, weil sie in ihrer Impulsivität wieder mal Mist gebaut haben, haben Streit mit Kollegen…

Eine Million Dinge gehen ihnen durch den Kopf, sobald sie abends im Bett liegen. Vor allem jene, die tagsüber immer auf Achse sind, fangen jetzt erst an, nachzudenken und können dann kaum mehr damit aufhören.

„Hör auf zu studieren und schlaf jetzt“ wird in diesem Fall nicht funktionieren – das Kind benötigt Zuwendung und aktives Zuhören.

Kuscheln Sie mit ihrem Kind, legen sich daneben, lassen es bei sich im Bett einschlafen – erfüllen Sie ihm sein Nähe- und Redebedürfnis, ohne jedoch auf die genannten Themen einzugehen, darüber zu diskutieren oder Ratschläge zu geben. Einfach zuhören, Gefühle anerkennen, Verständnis zeigen, trösten. Es geht darum, dass das Kind seine Sorgen bei Ihnen deponieren kann, und nicht, sie in den Minuten vor dem Einschlafen zu lösen.

Hier können Sie dem Kind auch Techniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung helfen, um zur Ruhe zu kommen. Es hat jedoch keinen Sinn, abends beim Einschlafen damit anzufangen, sondern üben sie die Techniken mit dem Kind regelmässig tagsüber oder am Wochenende, damit es sie bei Bedarf abrufen und anwenden kann.

Die Schlafumgebung

Um einschlafen zu können muss man nicht nur müde sein, sondern sich in seiner Umgebung auch geborgen und sicher fühlen. Auch körperlich muss einem wohl sein.

Achtet darauf, dass sich nicht zu viele Plüschtiere und Spielsachen im Bett des Kindes befinden. Im Schlafzimmer sollte es nicht zu warm, aber auch nicht zu kühl sein.

Bei der Wahl des Schlafanzuges könnt ihr euch auf das Körpergefühl eures Kindes verlassen: Manche schwitzen stark und schlafen auch im Winter lieber im Shorty, andere haben ständig kalte Füsse – redet mit dem Kind!

Manche können nur bei absoluter Dunkelheit einschlafen, andere nur mit einem Nachtlicht. Manche brauchen absolute Stille, andere Musik, bestimmte Geräusche, einen Ventilator, ein Hörbuch, eine CD mit Waldrauschen, Regentropfen oder Wellengeräusch… Andere Kinder schlafen am besten ein, wenn sie noch hören können, wie ihre Eltern ihren Abendbeschäftigungen nachgehen.

Und manche Kinder fürchten sich vor dem Dunkeln oder Alleinsein und können in Begleitung eines Elternteils viel schneller einschlafen.

Es gibt keine Regeln: Probiert aus, was für euer Kind funktioniert!

Regelmässige Abläufe: Abend- und Einschlafritual finden

Bei regelmässig auftretenden Ein- und Durchschlafproblemen können ein paar Massnahmen am Abend nicht das Grundproblem lösen. Da helfen vor allem die bereits erwähnte Punkte, die die Gestaltung des Alltags betreffen (Tageslicht, frische Luft, Bewegung).

Ein weiterer Punkt, der in Babyratgebern oft erwähnt wird, der aber für grössere Kinder und sogar Erwachsene genau so zutrifft, ist das „Einschlafritual“, das dem Gehirn hilft, in die Ruhephase einzutauchen.

Hier muss man ein Bisschen herumprobieren, was den Bedürfnissen des Kindes und auch der Eltern am besten entspricht. Grundsätzlich ist es egal, was man tut. Wichtig ist die Tatsache, dass der Abend nach Möglichkeit immer gleich abläuft: Beispielsweise Essen um eine bestimmte Zeit, danach Schlafanzug, dann noch eine halbe Stunde spielen, dann Zähneputzen, ins Bett, den Tag besprechen, Vorlesen und Kuscheln und zu einer bestimmten Zeit das Licht löschen.

Regelmässige Abläufe geben dem Kind Sicherheit und es kann sich besser entspannen. Seien Sie selbst auch „langweilig“! So kann das Kind sicher sein, dass es auch wenn es schläft nichts Spannendes mehr verpassen könnte.

[in diesem Artikel könnt Ihr nachlesen, wie Ihr Eurem Kind dabei helfen könnt, sich neue Abläufe anzugewöhnen]

Hausmittel, wenn das Kind immer noch nicht schlafen kann

An Abenden, wo einfach nichts funktioniert, muss man manchmal tiefer in die „Trickkiste“ greifen und ein Hausmittelchen anwenden:

  • Massage mit Duftölen
  • Raumspray
  • ätherische Öle auf Kuscheltiere oder das Kissen tröpfeln
  • Aromabad zur Entspannung
  • warme Honigmilch
  • beruhigender Kräutertee mit Honig

Auch hier gilt wieder: Für jeden funktioniert etwas anderes besser. Probiert aus!

Medikamente

Einschlafprobleme sind eine bekannte und weit verbreitete Nebenwirkung gewisser ADHS-Medikamente. Wenn das bei Ihrem Kind zutrifft, sprechen sie mit seiner Ärztin oder seinem Arzt darüber.

Zur Zeit liest man oft über die Gabe von Melatonin, dem Hormon, das die Zirbeldrüse im Gehirn abends und während der Nacht produziert. Da es sich dabei um ein Medikament handelt, darf es nur von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden und sollte nur nach sorgfältiger Abwägung aller Vor- und Nachteile in Betracht gezogen werden. Hinzu kommt, dass Melatonin in der Schweiz nur für PatientInnen über 55 Jahre zugelassen ist und die Hersteller explizit davon abraten, es an Kinder unter Jugendliche unter 18 Jahren zu verabreichen, übernehmen weder die IV noch die Krankenkassen die Kosten.

Auf keinen Fall können Medikamente eine gesunde Lebens- und Schlafhygiene sowie genügend Tageslicht, frische Luft und Bewegung ersetzen!

Fazit

Probieren Sie aus, was für sie und ihr Kind funktioniert, und geraten sie nicht in die „Aktivismus-Falle“: Es dauert etwa zwei Wochen bis eine Veränderung im Schlafverhalten ihre Wirkung entfaltet. Deshalb ist es nicht sinnvoll, etwas zwei Abende lang auszuprobieren und danach wieder etwas anderes. Im Gegenteil, das kann das Problem noch verschlimmern.

Wie auch immer, wir wünschen euch und euren Kindern ein schönes Einschlafen und erholsames Durchschlafen und freuen uns, wenn Ihr eure eigenen Erfahrungen in den Kommentaren oder der Facebookgruppe mit den anderen teilt!

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  • In der Oktoberausgabe von Fritz+Fränzi schreibt Christine Amrhein über Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen, was dahinter stehen könnte, was man dagegen tun kann, und wann man mit seinem Kind zum Arzt sollte: Schlafstörungen bei Teenagern.