plzm Selbstfürsorge für Eltern von hyperaktiven Kindern: Wie Ihr Eure Kräfte schonen könnte816448a09b24aa3b3d6ca1658c2da0b Selbstfürsorge für Eltern von hyperaktiven Kindern: Wie Ihr Eure Kräfte schonen könnt

Das Leben mit einem hyperaktiven Kind ist ganz schön intensiv und als Eltern müssen wir darauf achten, wie wir unsere Kräfte einteilen bzw. unsere eigenen Energiereserven wieder auffüllen. Neben einem Ausgleich wie Sport, Meditation oder sonstigen Tätigkeiten, dürft Ihr Euch nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hier ein paar hilfreiche Tipps zur Selbstfürsorge für Eltern.

Positive Einstellung, gute Stimmung in der Familie

Der dänische Erziehungsberater Jesper Juul sagte in seinen Büchern und Interviews immer wieder sinngemäss: Die Eltern sind für die Stimmung in der Familie verantwortlich, nicht die Kinder. Auch wenn es manchmal schwierig ist: Er hatte Recht!

Manche Tage sind schwer und ziehen sich lang. Dann kommt noch ein Telefon aus der Schule oder dem Sportverein, was heute wieder alles schiefgelaufen ist. Am liebsten würdet Ihr Euer Kind anbrüllen: «Wieso hast Du WIEDER…», «Ich habe es dir doch gesagt…» und «Wieso hörst du nur nicht auf mich…».

Aber wenn man sein Augenmerk immer nur auf die Dinge richtet, die nicht gut laufen, wird das Leben unerträglich. Deshalb ist es wichtig, sich auch das Positive ins Bewusstsein zu rufen.

Lisbeth Furrer von elpos Zentralschweiz gab im Artikel «6 Tipps für den Alltag mit ADHS» bei Fritz+Fränzi den folgenden guten Rat:

«Lassen Sie am Abend jedes Kind erzählen, was an diesem Tag besonders schön war. Führen Sie eine Liste mit erfreulichen Ereignissen. Lächeln.»

Wir haben das in unserer Familie viele Jahre als Gute-Nacht-Ritual gehabt. Bei Einschlafbegleiten die Frage: Was war heute besonders schön? Was habe ich heute gut gemacht?

So kann man den Tag mit einem guten Gefühl verabschieden und beendet ihn nicht mit Streit oder Frustration.

Basis der Selbstfürsorge: Auf seine körperlichen Bedürfnisse achten

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, regelmässig zu duschen, Haare zu waschen, zu schlafen, sich an der frischen Luft zu bewegen. Aber ich kann mich erinnern, dass ich als Mutter eines hyperaktiven Kindes im Grundschulalter mich ständig selbst vernachlässigte. Wenn man die ganze Zeit für andere Personen mitdenken muss, geht einem irgendwann der Atem aus und für ein Elternteil sind die Prioritäten klar: Die Kinder kommen zuerst. Dann die Arbeit, der Haushalt, der Mann… und ich selbst zu hinterletzt, unter „ferner liefen“.

Was man dabei vergisst: Alles, was bei Euren Kindern zu Wutanfällen führt, tut es bei Euch auch. Allen voran zu wenig schlafen, Hunger, Durst, körperliches Unwohlsein, oder andere unbefriedigte Bedürfnisse. Ungeduscht kann man nicht mit einer uneinsichtigen Lehrperson verhandeln, und wenn man ein Mittagsschläfchen braucht, kann man nicht zugewandt auf sein Kind eingehen. 1 Liter Kaffee ersetzt keine 8 Stunden Schlaf.

Vergesst also Eure Selbstfürsorge nicht: Schlaft genug, achtet auf Eure Körperpflege, esst und trinkt regelmässig, und gönnt Euch kleine Pausen. Auch das Bedürfnis nach Stille oder Alleinsein ist berechtigt und hat es verdient, «gesehen» zu werden!

Wenn das mit Eurem Kind nicht möglich ist, müsst Ihr Euch Hilfe holen. Ich habe das durch – glaubt mir, es geht manchmal nicht anders! Mobilisiert Patenonkel, Nachbarinnen, Grosseltern,… um Euch im Alltag zu entlasten, so dass Ihr wieder Luft bekommt. Erziehung ist ein Marathon und kein Sprint, und man kann ohne Regeneration nicht unbeschadet mehrere Jahre durchhalten.

Es ist übrigens für die Kinder sehr bereichernd, wenn andere vertraute Personen in die Betreuung eingebunden sind oder sie mal einen Nachmittag oder einen Abend mit jemand anderem verbringen. Und Ihnen als Eltern verschafft es eine wertvolle Auszeit.

Darüber hinaus müsst Ihr Euch fragen: Was seid Ihr Eurem Kind für ein Vorbild, wenn Ihr ständig die Selbstfürsorge vernachlässigt? Möchtet Ihr, dass es das später, wenn es selbst Kinder hat, auch tut?

Selbsterkenntnis

Lernt Euch selbst kennen! So könnt Ihr gewisse Situationen im Voraus meiden, von denen Ihr wisst, dass Sie Euch nicht gut tun oder dass sie Euch «triggern».

Bei unseren Kindern wissen wir es meistens recht gut («im Migros gibt es nur Gestürm») aber wenn wir ehrlich sind, dann hören wir meistens nicht so recht auf uns, auch wenn wir es doch eigentlich besser wüssten. Wenn ich Kopfschmerzen habe, dann muss ich nicht noch mein hyperaktives Kind zu Stosszeiten in den Supermarkt mitnehmen – da ist das Drama vorprogrammiert!

Diesen Stress kann man sich sparen, indem man seine eigenen Schwachstellen ernst nimmt – auch das ist Selbstfürsorge!

Seid ehrlich mit Euch selbst und passt je nachdem Abläufe an (ab einem gewissen Alter kann ein Kind auch mit dem Handy bewaffnet im Auto warten, statt mit in den Laden zu kommen…). Das spart Nerven und bewahrt den Frieden in der Familie. Was uns auch schon zum nächsten Punkt führt.

Beziehung ist wichtiger als Leistung

Wenn alles nichts hilft, achtet darauf, dass Ihr mit Eurem Kind eine gute Zeit habt. Vergesst «müsste» und «sollte». Wenn die Nerven blank liegen, nützen Erziehungsversuche sowieso nichts – das Kind ist nicht aufnahmefähig (und wir sind keine guten Lehrer*innen).

Brecht die Tätigkeit ab, bei der die Wut hochschaukelt und fangt lieber an zu kitzeln, umarmen, Kissenschlacht… Hauptsache lachen, Hauptsache sich und dem Kind versichern, dass man sich gern hat und ein Team ist, auch wenn man wütend aufeinander ist.

Man hört und liest immer wieder, wie wichtig eine gute Bindung und Beziehung zu den Eltern für die Kinder ist. Aber das gilt auch umgekehrt: Uns selbst geht es doch auch besser, wenn wir nicht tagein, tagaus am Schimpfen sind und eine gute Beziehung zu unseren Kindern haben.

An manchen Tagen ist man so im Schimpfen drin, dass man es selbst nicht einmal mehr merkt. Deshalb haben wir unser Kind gebeten, ehrlich mit uns zu sein und uns zu sagen, wenn wir «Motzeltern» sind. Klar hört man es im Moment nicht gerne. Aber seien wir doch ehrlich: Meistens haben die Kinder damit recht!

Natürlich verliert man trotzdem man die Nerven. In so einem Fall kann Euch vielleicht dieser Artikel hier weiterhelfen: Was Eltern tun können, wenn sie die Geduld verlieren.

Ihr habt genug Zeit!

Viel Stress schaffen wir uns damit, dass wir meinen, wir müssten alles immer gleich sofort entscheiden. Panik kommt auf und wir drehen sehr schnell im Roten.

Wenn es um mein Kind geht, habe ich mir angewöhnt, keine schnellen Entscheidungen mehr zu treffen, ausser es bestünde Lebensgefahr. Ein kritisches Telefon der Lehrperson? «Vielen Dank für Ihren Anruf, ich werde mir das in Ruhe überlegen und melde mich dann, adieu».

Und dann nehmt Euch die Zeit. Geht spazieren oder was immer Euch gut tut. Redet mit dem Kind und hört Euch seine Version an. Sprecht mit dem anderen Elternteil. Informiert Euch und tauscht Euch mit Menschen aus, die auch schon in ähnlichen Situationen waren (siehe auch Punkt „Hilfe annehmen“).

Lasst Euch nicht hetzen! Nur ganz wenige Entscheidungen müssen jetzt gerade gleich sofort getroffen werden. Und wenn Sie schon dabei sind: Schrauben Sie Ihre Ansprüche an sich selber runter. «Gut genug» reicht, niemand erwartet Perfektion von Ihnen, ausser Sie selbst.

Strukturierter Alltag und Vorausplanung als Teil der Selbstfürsorge

Die Tage mit einem hyperaktiven Kind sind geprägt von Unvorhergesehenem, Spontaneität und Improvisation. Gerade deswegen ist es enorm wichtig, Routinen, klare Abläufe und Fixpunkte zu haben und ein Maximum vorauszuplanen.

Über „Mental Load“, die mentale Last, werde ich bei anderer Gelegenheit noch mehr schreiben, hier nur so viel: Je klarer die Tagesstrukturen sind, je besser die Planung im Voraus steht, desto weniger muss ich mir währenddessen Gedanken machen. Wenn ich am Samstag Menüplanung für die nächste Woche gemacht und dafür eingekauft habe, muss ich mich am Dienstag nicht mehr fragen, was ich heute koche und ob ich alles dafür im Haus habe, sondern ich muss nur noch den Kühlschrank öffnen und den Herd anwerfen.

Regelmässige Abläufe und Routinen helfen nicht nur unseren Kindern, sich im Alltag zu orientieren, sondern auch uns selbst. Sie verhindern Diskussionen, dass wir uns verzetteln, und geben den Rahmen vor, innerhalb dessen wir improvisieren und spontan sein können. Glaubt mir: auch wenn man jeden Tag zuerst die Aufgaben macht, und danach Zvieri isst (oder umgekehrt), wird noch genügend an Unvorhergesehenem übrig bleiben.

Übrigens kann man Pläne, wenn sie nicht funktionieren, auch wieder über den Haufen werfen! Manchmal muss man Verschiedenes ausprobieren, bis man dasjenige findet, das für seine Familie funktioniert. Aber es lohnt sich! Denn es nimmt viel Druck aus dem Alltag heraus und verhindert viel Diskussionen, Verhandlungen und Streit im Vornherein.

Auch der Aufenthalt in der Natur und regelmässige Bewegung an der frischen Luft ist Selbstfürsorge

Man kann es nicht oft genug betonen: Geht raus, bewegt Euch!

Gerade in Phasen, wo die eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen, wo man gestresst, angespannt oder gereizt ist, ist Rausgehen – allein oder mit der Familie – manchmal das Einzige, was man tun kann. Und es hilft!

Man verlässt eine belastende Situation körperlich, und nicht nur im Kopf. Man baut überschüssige Energie ab. Man reduziert Stress. Man entspannt sich durch Bewegung und die Gedanken hören auf, im Kreis zu drehen und kommen wieder in den Fluss.

Beim Treffen mit anderen Familien in der wirklichen Welt lenkt man sich ab und teilt sein Leid. Man klebt nicht mehr so aneinander wie in der Wohnung oder im Haus, und bekommt dadurch wieder Luft. Wortwörtlich.

Mein persönlicher Tipp: Waldbaden!

Hilfe annehmen

Sich Hilfe zu holen, wenn man nicht weiterkommt, ist kein Zeichen von Schwäche! Im Gegenteil, es zeugt von Kompetenz und Stärke, wenn man seine eigenen Grenzen erkennt. Aber an wen kann man sich wenden?

Wichtige Ansprechpersonen sind Kinderärztinnen, Kinder- und Jugendpsychiater, sowie die diversen Therapeutinnen und Therapeuten, die unser Kind auf seinem Weg begleiten.

In der Schweiz gibt es die Elternorganisation elpos. Sie berät Familien und Erwachsene mit AD(H)S, organisiert Gesprächsgruppen, Elternkurse, Online- und Offline-Veranstaltungen und publiziert darüber hinaus Fachpublikationen, Informationsbroschüren und die Zeitschrift «elpost». Familien können dort auch Mitglied werden, wenn das Kind (noch) keine ADHS-Diagnose hat.

Die Elternkurse und Coachings der elpos und ihres Westschweizer Gegenstücks Aspedah sind Gold wert!

Ebenfalls ein tolles Kursangebot für Eltern haben die Psychologin und der Lerncoach Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund, die das Buch „Erfolgreich lernen mit ADHS“ (Werbelink) geschrieben haben und Online- und Offline-Kurse für Eltern und Lehrpersonen geben. Auf ihrer Webseite findet Ihr viele Artikel, Bücher und das Kursangebot.

Sehr hilfreich finde ich persönlich auch den Austausch mit anderen Eltern. Offline organisieren unter anderem die Elpos oder IG ADHS Treffen. Online gibt es zahlreiche Facebook-Gruppen, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur gute Ratschläge, sondern wenn nötig auch Trost und Zuspruch finden:

Was tut Ihr für Eure Selbstfürsorge? Mit welchen Strategien und Tricks füllt Ihr Eure eigenen Energiereserven wieder auf? Teilt Eure Erfahrungen in den Kommentaren oder in der Facebookgruppe.

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Selbstfürsorge: Wie Eltern von hyperaktiven Kindern ihre Kräfte schonen