In einem Elternkurs lernten Kasimirs Vater und ich «die vier E» kennen und möchten sie euch gerne weitergeben. Es handelt sich um folgende vier «E»:

  • 1. Ermutigen
  • 2. Engagement
  • 3. Erziehung
  • 4. Expansion

Das Kind beim Lernen Ermutigen

Kinder, die in der Schule Mühe haben, erhalten viel negatives Feedback und benötigen deswegen daheim ein Vielfaches an Ermutigung. Zum Glück haben wir als Eltern da noch grossen Einfluss, vor allem wenn das Kind noch in der Unterstufe ist.

Zeigt Interesse für die Dinge, die Eurem Kind wichtig sind – das ist gut für sein Selbstwertgefühl und zeigt ihm, dass Ihr wirklich an ihm interessiert seid und nicht nur an den Noten. Desinteresse oder zu viel Kritik an Pokémon, Fortnite, Lego Friends… vermittelt den Kindern das Gefühl, dass wir alles schlecht finden, was sie gut finden. Sensible Kinder nehmen solche Dinge sehr schnell persönlich. Sie beziehen Kritik oft nicht auf die Sache, sondern auf sich selbst als Person.

Im Marketing sagt man, dass negative Erfahrungen 7 x schwerer wiegen, als Positive. Wenn das Selbstwertgefühl des Kindes bereits beschädigt ist, kann es positive Bemerkungen manchmal nicht mehr hören – deshalb brauchen unsere Kinder VIEL davon. Es ist gar nicht so schwierig, man muss nicht immer gleich in Lobeshymnen ausbrechen:
«Mir gefällt, dass du gleich beim Heimkommen mit den Aufgaben angefangen hast»
«Das fand ich richtig gut, dass du nicht aufgegeben hast, sondern im Wörterbuch nachgeschaut»
«Ich bin stolz auf dich»
«…»

Seid aber ehrlich, und sucht nach etwas, das Ihr wirklich positiv findet! Lügt Euer Kind nicht an, das würde es merken.

Tun ist immer besser als Reden! Zeigt Eurem Kind, dass es Euch wichtig ist und dass Euch sein Schulerfolg am Herzen liegt. Nehmt Euch Zeit, um ihm zu helfen, wenn es danach fragt. Nicht «später», sondern in dem Moment, wo es fragt. Und bitte keine Killerphrasen wie «Kannst du das immer noch nicht selber» – die ermutigen das Kind nicht, sondern untergraben sein Selbstvertrauen.

Um die Autonomie und Selbständigkeit zu fördern: Wenn das Kind freiwillig, von sich aus, mit dem Lernen oder den Hausaufgaben anfängt, gebt ihm zu verstehen, dass Ihr es bemerkt habt und lobtg es dafür (wenn es passt).

Wenn dem Kind eine Aufgabe oder Prüfung besonders gut gelungen ist, gebt ihm ruhig zu verstehen, dass Ihr stolz seid. Auch wenn es dem Kind vielleicht ein Bisschen peinlich ist: Es freut sich darüber und sein Selbstwertgefühl erhält dadurch Auftrieb.

Mit kleinen Botschaften, Post-It-Zetteln im Ufzgi-Heft oder WhatsApp-Nachrichtigen geben wir unserem Kind zu merken, dass es Teil einer Gemeinschaft ist und dass wir an es denken, während es in der Schule ist. Auf dieselbe Weise kann man ihm auch ermutigende Botschaften zukommen lassen («Du kannst das!», «Du hast alles im Kopf, was es braucht, um in der Prüfung gut abzuschneiden!», «Vertrau dir!»).

Engagierte Eltern sein

Findet im überfüllten Alltag Momente ohne Ablenkung, um mit eurem Kind über die Schule, seine Aktivitäten, seine Probleme und seine Freundinnen und Freunde sprechen. Bei uns entstehen die schönsten Gespräche zum Beispiel beim Autofahren oder am Abend vor dem Einschlafen. Es geht nicht darum, ihm Ratschläge zu gebe, sondern einfach nur zuzuhören, was es für Sorgen und Nöte, aber auch für schöne Erlebnisse hat.

Zeigt Interesse für Euer Kind, nicht nur für seine Leistungen!

Engagierte Eltern sind anwesend. Nicht nur körperlich, sondern auch im Kopf! Schafft Momente ohne Ablenkung, ohne Handy, überhaupt ohne Medien, wo man einander zuhören und aufeinander eingehen kann.

Unsere Kinder haben nicht immer aktive Hilfe nötig. Oft reicht zuhören und die «richtigen» Fragen stellen, damit es selbst eine Lösung für seine Herausforderungen finden kann. Nichts stärkt ein Kind so sehr wie das Wissen, dass es seine Probleme selber lösen kann!

Am Projekt «Schule» ist nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern beteiligt. Mischt Euch ein, geht an Elternabende, und kommuniziert mit den Lehrpersonen, wenn Euer Eingreifen benötigt wird. Dass wir seine Prüfungsblätter nachlesen, Zeugnisse und Aufgabenbüchlein unterschreiben und ähnliches versteht sich von selbst – und das Kind darf ruhig mitbekommen, dass wir das tun! Aber vermischt nicht die Verantwortungsbereiche: Erwachsene sind für Erwachsenensachen verantwortlich, das Kind für die Dinge, die es selbständig händeln kann.

Erziehung und pädagogische Rahmenbedingungen

Die pädagogischen Rahmenbedingungen definieren den Raum, innerhalb dessen sich das Kind frei entwickeln und effizient lernen kann.

Nur wenn die Persönlichkeit und der Rhythmus des Kindes respektiert wird, kann es überhaupt effizient lernen. Zu welchen Tageszeiten geht dem Kind die Arbeit am leichtesten von der Hand? Wann fällt es ihm leicht, sich Dinge zu merken, wann nicht? Wann kann es sich am besten konzentrieren? Wann hat es am meisten Mühe? Passt die Lernzeiten diesem Rhythmus an und Ihr könnt viel Energie und Diskussionen einsparen!

Alle Kinder, aber ganz speziell jene mit neurologischen Auffälligkeiten wie ADHS, Autismusspektrumstörung (ASS, Asperger) etc., benötigen klare Ansagen von ihren Eltern und Lehrpersonen: «Jetzt ist Zeit für die Hausaufgaben». «Zuerst lernen, dann spielen».

Routinen helfen nicht nur, Gewohnheiten zu entwickeln. Das Wissen, was alles kommt und in welcher Reihenfolge, gibt Sicherheit und hilft dem Kind dadurch, ruhig und konzentriert zu werden. So haben wir mit Kasimir Regeln vereinbart (mit zwölf Jahren darf er dabei selbstverständlich mitreden), dass er nach der Schule 15 Minuten chillt, dann Zvieri isst, und danach mit den Aufgaben loslegt. Keine Bildschirme vor den Hausaufgaben!

À propos «Zvieri»: Mahlzeiten und ihre Zusammenstellung sind ebenfalls wichtig: Nur wer regelmässig, ausgewogen und in Ruhe isst, ist aufnahmefähig und kann sich über längere Zeit gut konzentrieren. Überzuckerung ist genau so schlecht für die Konzentration wie Unterzuckerung.

Als Eltern müssen wir auch gut darauf achten, dass unser Kind genug und gut schläft: ein unausgeschlafenes Kind kann nicht gut lernen, sich nicht konzentrieren, ist irritierbar und schnell gereizt. Es gibt beim Schlaf keine Regel, die für alle gilt! Wie viel Schlaf benötigt unser Kind? Welche Bedürfnisse müssen erfüllt sein, damit es gut ein- und durchschlafen kann? Wie können wir für eine gute Schlafqualität sorgen? Hilfreiche Tipps zum Schlafen findet ihr im Artikel «Was hilft Kindern bei Schlafproblemen?»

Achtet auf das Gleichgewicht zwischen Hausaufgaben/Lernen, Sport und Bildschirm. Nur wenn das Verhältnis ausgewogen ist, kann das Kind gut und effizient lernen. Keines der Bedürfnisse sollte zu kurz kommen.

Wenn Ihr ein Belohnungssystem benutzt, müssen die Regeln bezüglich des Lernens und den Aufgaben klar formuliert werden. Belohnt den Einsatz des Kindes, nicht seine Noten!

Das Lernen muss nicht zwangsläufig im eigenen Zimmer stattfinden. Viele Kinder lernen lieber am Küchentisch oder am Stubentisch. Der Ort sollte einfach ruhig sein, ohne TV oder Radio, und ohne zu viele Sachen, die die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich ziehen. Achtet auch darauf, dass es alles Material parat hat, wenn es mit dem Lernen beginn, und nicht ständig hin- und herlaufen muss.

Bitte seid geduldig und verständnisvoll: Wenn es nicht läuft, kann man nichts erzwingen! Dann lieber eine Runde draussen spielen, velofahren, trampolinspringen etc. (kein Bildschirm!) und danach noch einmal versuchen.

Expansion

Lernen findet nicht nur am Schreibtisch oder in der Schule statt, sondern immer und überall!

Traut dem Kind etwas zu! Übertragt ihm Verantwortung. Entweder, wenn es sie von sich aus einfordert oder wenn ihr den Eindruck habt, dass es einer Aufgabe gewachsen ist. Traut ihm den Erfolg zu. Lasst es eigene Fehler machen und diese korrigieren oder wiedergutmachen. Auch das gehört zum Lernprozess.

Vertraut Eurem Kind und lasst es merken, dass Ihr ihm vertraut!

Je nach Alter des Kindes kann es sein Wissen auf vielfältige Weise erweitern und vertiefen: Lesen von Speisekarten, Strassenkarten, Wegweisern… Anhören oder Anschauen von Tagesschau und Radionachrichten, Diskussionen mit den Eltern usw.

Denkt daran: Alles im Leben ist lernen!

Der wichtigste Punkt beginnt nicht mit «E», sondern mit «V»: Vertrauen!

Nicht nur das Kind lernt auf seiner Lebensreise, sondern auch wir Eltern. Wir gehen diesen Weg mit unserem Kind schliesslich zum ersten Mal!

Die wichtigste Lektion, die wir als Eltern lernen dürfen ist, dass wir unserem Kind vertrauen können: Es wird seinen Weg gehen und es wird mit unserer Hilfe gut gerüstet sein für die Aufgaben, die vor ihm liegen. Wir dürfen LOSLASSEN!

wie kann ich mein hyperaktives Kind beim Lernen unterstützen?